„Nah“versorgung in Windhagen – ein Faktencheck

Aktuell wird die Nahversorgung durch den „Nah&Gut“ - Markt im Ortskern sichergestellt, es ist jedoch damit zu rechnen, dass der derzeitige Inhaber das Geschäft in einigen Jahren aus Altersgründen aufgeben wird.

Im Hinblick darauf hat der Ortsbürgermeister in verschiedenen Gesprächen ermittelt, dass zwei größere Lebensmittelunternehmen ggfs. ein Interesse an der Ansiedlung in Windhagen hätten, als Standort wurde die derzeitig landwirtschaftlich genutzte Gelände unmittelbar neben der neuen Kita Wiesenwichtel ins Auge gefasst.

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In der Sitzung vom 19.07.2023 hat der Ortsgemeinderat Windhagen im Hinblick darauf, dass dieses Grundstück im Geoportal als Biotopkomplex eingetragen ist, eine Voruntersuchung der naturschutzrechtlichen Belange durch ein Fachbüro beauftragt. Dabei sollte die Fläche im Hinblick auf ihre potentielle Eignung für die Durchführung des angedachten Bauleitplanverfahrens untersucht werden.

Fakt Nr. 1:
Das Ergebnis dieser Voruntersuchung liegt nunmehr vor und es wurde festgestellt, dass es sich bei dem vorliegenden Grundstück um eine geschützte Biotopfläche handelt. Der Schutzstatus der Fläche schließt zwar eine Bebauung grundsätzlich nicht aus. Doch wäre das wohl nur zulässig, wenn in räumlich-funktionalem Zusammenhang eine 2- bis 3-fach größere Ausgleichsfläche bereitgestellt werden könnte. Über derartige Flächen verfügt die Gemeinde derzeit nicht.

Fakt Nr. 2:
Als im Verhältnis zur naturschutzrechtlichen Problematik gravierendes Problem hat sich zwischenzeitlicht die seitens der VG-Verwaltung Asbach aufgeworfene Frage herausgestellt, ob die Fortführung einer Bauleitplanung im Hinblick auf die raumordnungsrechtlichen Vorgaben des Landesentwicklungsplans des Landes RLP (LEP IV) zulässig wäre. Insoweit handelt es sich um entscheidungserhebliche Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Sitzung des Ortsgemeinderats am 19.07. 2023 den Mitgliedern des Gemeinderats nicht bekannt waren.

Die Verwaltung kommt in einem Prüfvermerk1 vom 20.10.2023 zunächst zu dem Ergebnis, dass entsprechend der Ausweisungen im regionalen Raumordnungsplan der Ortsgemeinde Windhagen keine grundzentrale Funktion innerhalb der Verbandsgemeinde Asbach im Mittelbereich Linz zukommt.

Das bedeute, dass der Ortsgemeinde Windhagen durch den regionalen Raumordnungsplan keine Versorgungsfunktion zugewiesen sei, mit der Folge, dass der Ortsgemeinde lediglich die Versorgung der eigenen Bevölkerung zustehe. Das veranlasst die Verwaltung zu der Feststellung, dass die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes kritisch zu betrachten sei.

Ausnahmsweise (Z 57 LEP IV) seien jedoch in Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion mit mehr als 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern großflächige Einzelhandelsvorhaben bis zu insgesamt 1.600 m² Verkaufsfläche zulässig, wenn dies zur Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung erforderlich ist.

Auch sei im Vorfeld der Einleitung einer Bauleitplanung (Z 61 LEP IV) zu prüfen, ob die Anhäufung großflächiger Versorgungsbetriebe (hier: geplanter Vollsortimenter) an städtebaulich nicht integrierten Standorten gegen den Schutz der zentralen Versorgungsbereiche (innerörtlicher Einzelhandel) verstoße.

Diese beiden Kriterien des LEP IV sind hinsichtlich der Zulässigkeit einer Ansiedlung eines Vollsortimenters auf der „grünen Wiese“ neben einer Ortschaft mit bestehender Innerorts-Lebensmittelversorgung mindestens zu prüfen wenn nicht sogleich in Frage zu stellen, so das Fazit der Prüfung der Verwaltung. Sie empfiehlt hier, vorbehaltlich der weiteren Beratung und Beschlussfassung durch den Ortsgemeinderat Windhagen, ein Stadtplanungsbüro mit den erforderlichen Prüfungen zu beauftragen, sofern die o.g. Planungen weiter betrieben werden sollen.

Gegen das geplante Vorhaben sprechen also verschiedene Regelungen des LEP IV.

Eine Realisierung ist, wenn überhaupt, rechtlich nur zulässig, wenn diese zur Sicherung der Grundversorgung erforderlich wäre und alle weiteren Prüfungen mit positiven Ergebnissen abgeschlossen werden würden.

Fakt Nr. 3:
Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse hatte der Ortsgemeinderat in seiner Sitzung am 16.11.2023 zu entscheiden, ob die planungsrechtliche Vorprüfung für die Ansiedlung eines größeren Lebensmittelmarktes (sog. Vollsortimenter) im Ortsteil Frohnen fortgesetzt werden soll.

Die Fraktion G-BfW hat in langer und intensiver Beratung die Frage der Nahversorgung in Windhagen erörtert und dabei sowohl die Belange des Naturschutzes wie auch die neue Frage der Notwendigkeit & Zulässigkeit eines großen Einzelhandelsunternehmens nach dem Landesentwicklungsplan diskutiert.

Wir haben dabei zunächst geprüft, was denn die Errichtung eines derartigen Marktes für den derzeitig unter Naturschutz stehenden Bereich bedeuten würde. Hierzu haben wir als Anhaltspunkt den Edeka-Markt in Himberg besucht und uns die Mühe gemacht nachzuzählen, wie viele Parkplätze dort für die Kunden vorgehalten werden – es sind 145. Neben der hierfür zu versiegelnden Fläche wäre noch die Fläche für die Verkaufs- und Lagerräume hinzuzurechnen.

Dies halten wir im Hinblick auf Klimawandel und Starkregenereignisse für nicht hinnehmbar. Bereits heute bestehen aberhunderte Parkplätze der ansässigen Industrie in unserem Ort.

G-BfW hat sich aber auch mit den rechtlichen Anforderungen des LEP IV und insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, ob der angedachte Markt für die Grundversorgung der Bevölkerung erforderlich ist.

Hierzu haben wir zunächst auf die aktuelle Situation geschaut. Neben dem Markt im Ortskern sind mit Norma, Lidl, Aldi, DM, Bäckerei, Metzgerei und Getränkemarkt in Rottbitze im Radius weniger Autominuten alle Bereiche der Grundversorgung erreichbar, diese werden noch ergänzt durch Edeka in Himberg und Rewe in St. Katharinen.

Nun mag man, im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des Fahrrades und die gesundheitlichen Vorzüge des Laufens, Anstoß an den „wenigen Autominuten“ nehmen und daraus folgern, es müsse doch deshalb eine Versorgung in Windhagen geben.

Zu diesem Aspekt hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der letzten Ratssitzung eine wichtige Erkenntnis beigesteuert. Er berichtete, er habe auf dem Parkplatz des Nah&Gut - Marktes im Ortskern zwei Stunden beobachtet, wie denn die Kunden diesen Markt erreichen. Seine Erkenntnis war, dass lediglich jeder 15. den Markt zu Fuß besuchte, alle anderen Kunden kamen mit dem PKW.

Einigkeit bestand im Wesentlichen bei allen Fraktionen, dass zurzeit die Windhagener ihren Wocheneinkauf nicht in Windhagen, sondern auf der Rottbitze oder in Himberg machen, auf das Angebot im Ortskern greifen die meisten eher zurück, wenn sie etwas vergessen haben. Diese Einschätzung dürften die meisten Leser teilen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass von den Windhagenern seit Jahren für den Wocheneinkauf der eigene PKW genutzt wird und jeder, der sich selbst ehrlich gegenüber ist, dürfte zu der Erkenntnis kommen, dass er in der Vergangenheit im Nahbereich stets alles bekommen hat, was er benötigte.

Dann allerdings stellt sich die Frage, ob ein weiterer Lebensmittelmarkt im Außenbereich zwischen Frohnen und dem Gewerbegebiet „Im Nassen“ tatsächlich für unseren Ort erforderlich ist.

Nach alledem ist nicht anzunehmen, dass jemand aus Hallerbach seine Wasserkästen in Frohnen kauft und nach Hause tragen wird, ebenso wenig wird jemand aus Hohn am Ende seines Wocheneinkaufes mehrere Tüten nach Hause tragen. Gleiches gilt für die Bewohner des Ortskerns und im Besonderen für die Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf einen PKW angewiesen sind.

Somit war festzustellen, dass den Plänen auch im Hinblick auf die Regelungen des LEP IV die Zustimmung zu verweigern war, da die Versorgung auch ohne diesen Markt bereits gesichert ist.

Fakt Nr. 4:
Die Vorgaben des Raumordnungsrechts erfordern zwingend eine weitergehende Betrachtung ihrer Auswirkungen auf die weitere Entwicklung unseres Innerortes.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Innerortsbereich bereits drei Gastronomiebetriebe verloren, eine Verlagerung der Einkaufsmöglichkeiten aus dem Ortskern nach Frohnen wird nach unserer Überzeugung eine Schließung der Bäckerei und der Postagentur im Innerort nach sich ziehen.

Dieser Effekt würde zu einer Verödung des Ortskernes führen. Wir wollen genau das nicht! Auch bezweifeln wir, dass das der Wille unserer Bürgerinnen und Bürger wäre. Zu dieser Feststellung bedarf es nach unserer Einschätzung keiner amtlichen Einwohnerbefragung.

Stattdessen streben wir die Erhöhung der Attraktivität des Ortskernes an. Wir wollen dass die Menschen, die in Windhagen leben, den Ortskern mit Leben füllen. Dazu gehört für uns zwingend, dass eine Möglichkeit geschaffen wird, auch in Zukunft in der Ortsmitte notwendige Dinge einkaufen zu können. Wie das zu realisieren ist, wird im Detail noch zu prüfen und entscheiden sein, eine erste Idee hierzu wurde von Herrn Zeitelhofer (HF2) im Rat vorgestellt.

Sterbende Innenstädte umgeben uns, wohin wir in der näheren Umgebung schauen. Dies geht mit einem Gefühl der Trostlosigkeit einher, das wir unserem Ort, im dem wir gerne wohnen und für den wir uns engagieren, unbedingt ersparen wollen.

Deshalb sei an dieser Stelle eine eindringliche Mahnung der IHK Pfalz² vom 21.09.2023 an die verantwortlichen Planungsträger zitiert:

„…Durch periphere Ansiedlungen von Einzelhandelsgroßprojekten wird den Städten und dort insbesondere dezentralen Geschäftsbereichen ein wesentliches Element ihrer Zentralität und Versorgungsfunktion entzogen. (…) Die Erkenntnis, dass Einzelhandelsgroßprojekte an städtebaulich nicht integrierten Standorten die Urbanität der Innenstädte nachhaltig gefährden können, erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung von Handelsprojekten und der erwarteten Vor- und Nachteile durch die Entscheidungsträger in Planung und Politik…“

Auch die Betrachtung der möglichen negativen Folgewirkungen auf die Strukturen des Ortskernes haben G-BfW veranlasst, dieses Projekt zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiterentwickeln zu wollen.
Nicht ganz unwichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass eine Einleitung einer Bauleitplanung in dem jetzigen Stadium noch gestoppt werden kann, ohne dass Kosten für Gutachten etc. sowie für mögliche Investoren generiert werden.

Fakt Nr. 5:
Schließlich haben wir uns auch noch gefragt, ob die Eltern der in Zukunft 80 Kinder der KiTa Wiesenwichtel wohl glücklich wären, wenn nur wenige Meter von dem Außenspielgelände hunderte von Fahrzeugen den Parkplatz ansteuern.


Fazit:
Wären die zur Ratssitzung am 16.11.2023 erstmals vorliegenden neuen entscheidungserheblichen Tatsachen bereits am 19.07.2023 bekannt gewesen, würde das schon damals zu einer anderen Entscheidung geführt haben. Nach alledem gab es für uns nur eine Abstimmungsmöglichkeit – ein klares „Nein“ zu diesem Projekt.

Gleichwohl haben wir mit Interesse die Idee des Ortsbürgermeisters aufgenommen, zu diesem Thema eine „amtliche Einwohnerbefragung“ durchzuführen. Diese würde jedoch zu keiner verbindlichen Entscheidungshilfe für den Gemeinderat führen. Für den Entscheidungsträger Gemeinderat würde ein erheblicher Interpretationsspielraum verbleiben. Ob damit in dieser für Windhagen wichtigen Frage dem Bürgerwillen wirklich Rechnung getragen werden kann, darf bezweifelt werden.

Soweit in Print- und sozialen Medien zu lesen ist, „Gemeinsam - Bürger für Windhagen“ würde die Meinung der Bevölkerung nicht interessieren, ist dies schlicht falsch. Statt einer frei interpretierbaren und unverbindlichen Befragung wollten wir die Bürgerinnen und Bürger diese Frage selbst entscheiden lassen. Deshalb hat der Fraktionsvorsitzende unserer Wählergemeinschaft in der Sitzung einen Bürgerentscheid nach § 17a GemO ins Gespräch gebracht. Der Bürgerentscheid würde einem Beschluss des Gemeinderats gleichstehen – mehr Bürgerbeteiligung geht wirklich nicht!

Dieser Vorschlag wurde vom Bürgermeister mit der Begründung verworfen, dass dann die Bürger ja möglicherweise etwas entscheiden könnten, was aus den dargelegten Gründen rechtlich gar nicht zulässig wäre. In logischer Konsequenz entzieht der Bürgermeister damit seinem eigenen Vorschlag den Boden. Jeder mag sich selbst die Frage beantworten, warum der Bürgermeister dann überhaupt seinen Vorschlag in die Diskussion eingebracht hat.

Die von der Bevölkerung gewählte und legitimierte Ratsmehrheit hat mit ihren 11 Stimmen gegen 10 Gegenstimmen entschieden, die Planung einzustellen. Es wurden vielseitige Argumente ausgetauscht und aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet, niemand hat es sich leicht gemacht, und am Ende stand eine von der Mehrheit getragene Entscheidung.

Eine Entscheidung, die sich vielleicht mancher anders gewünscht hätte, die aber von der Überzeugung der Ratsmehrheit getragen wurde. Das ist gelebte Demokratie.

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